(DE) Arbeiten und leben in Italien

Italien war und ist eines der beliebtesten Ziele für sonnen- und kulturhungrige Urlauber aus Deutschland und Österreich. Wer sich aber heute auf eine italienische Reise begibt, wird leider nur allzu oft feststellen müssen, dass es vor allem im dicht besiedelten Norden mit dem Dolce Vita nicht mehr weit her ist und dass die Wirtschaftskrise, die unbestimmte politische Lage und der allgegenwärtige Konkurrenzkampf auch den als herzlich, lebenslustig und offen bekannten Italienern beträchtlich zu schaffen machen.

Die Formalitäten
Will man sich als freiberuflicher Übersetzer oder Dolmetscher in Italien niederlassen, sollte man sich auf jeden Fall zuerst einem guten Steuerberater anvertrauen, der bereits Kollegen vom Fach betreut und einschlägige Erfahrungen aufweist. Das italienische Steuersystem und der damit verbundene Paragrafendschungel sind dermaßen kompliziert und wankelmütig, dass es beinahe unmöglich ist, selbst immer am allerletzten Stand zu sein und allen Verpflichtungen nachzukommen.
Der erste Weg führt zur Agenzia delle Entrate (Agentur für Einnahmen), wo man eine Steuernummer (Codice Fiscale) erhält, die man praktisch überall vorweisen muss. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus Buchstaben und Ziffern mit den Schlüsseldaten des Bürgers (Name, Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort oder -land).
Zur Berufsausübung meldet man sich zuerst am Ufficio IVA (Mehrwertsteueramt) an, wo man eine entsprechende Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für die Kategorie „Übersetzen und Dolmetschen“ zugewiesen bekommt. In Italien ist – ebenso wie in Deutschland und Frankreich – kein Studiennachweis erforderlich.
Für eine geringfügige Tätigkeit bis zu einem Einkommen von 5.000 Euro jährlich sind keine Sozialbeiträge zu leisten. Bei einem Einkommen über diesem Betrag meldet man sich beim Sozialvorsorgeamt INPS (NISF – Nationalinstitut für Soziale Fürsorge, wie es in Südtirol genannt wird) an, wo man in die Gestione Separata, eine gesonderte Kasse, eingetragen wird. Die Rentenbeitragspflicht besteht für freiberufliche Übersetzer seit 1996. Zuerst waren 10 % des Reingewinns (Umsatz abzüglich der Kosten) vor Steuer abzuführen, mittlerweile sind es 27,72 % und es ist geplant, dass dieser Beitrag zwischen 2014 und 2018 schrittweise auf 33,72 % erhöht wird, um die Rentenbeitragsleistung der freiberuflich, mit Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer tätigen Einwohner endgültig mit lohnabhängigen Arbeitnehmern gleichzustellen und es den Unternehmern damit zu erschweren, ihre Arbeitnehmer unter unfairen Bedingungen arbeiten zu lassen – als so genannte „falsche Freiberufler“. Eine Abwälzung dieses Beitrags auf den Kunden ist von Beginn an unverändert in Höhe von 4 % möglich. In diesem Zusammenhang wird Ihnen der Steuerberater immer pünktlich die Abgaben vorkalkulieren, wird Sie aber nicht darüber informieren, dass Sie auch Anrecht auf Familienbeihilfe, Taggeld im Falle eines Krankenhausaufenthalts, 5 Monate Mutterschutz und seit Januar 2012 auch auf krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit haben. Hierbei sind allerdings 10 Tage Selbstbehalt vorgesehen und maximal 61 Tage Arbeitsunfähigkeit pro Jahr – aber immerhin ist ein Anfang gemacht! Eine zusätzliche, private Renten- und Krankenversicherung ist jedem freiberuflich tätigen Übersetzer und Dolmetscher dennoch dringend ans Herz zu legen.
Zur Berechnung der Einkommensteuer (IRPEF) gilt für 2013 bezüglich der Nettoeinnahmen abzüglich der geleisteten Beiträge und Betriebsausgaben folgende Staffelung:

von 0 bis 15.000 Euro 23 %
von 15.000,01 bis 28.000 Euro 27 %
von 28.000,01 bis 55.000 Euro 38 %
von 55.000,01 bis 75.000 Euro 41 %
über 75.000 Euro 43 %

Die Einkommensteuer wird mit einer Anzahlung bis zum 30. November eines jeden Jahres (auf der Grundlage des Vorjahres berechnet) und mit einer Endabrechnung im Juni des Folgejahres (also effektiv auf das Einkommen des betroffenen Jahres) beglichen. Dieselben Fristen gelten auch zur Zahlung des Sozialvorsorgebeitrags.
Seit ein paar Jahren gibt es eine des Öfteren abgeänderte Sonderform für Berufseinsteiger mit der derzeitigen Dauer von 5 Jahren, die bis zu einem Alter von maximal 35 Jahren jeweils um weitere 5 Jahre verlängert werden kann – das sogenannte Regime dei Minimi. Hierfür ist ein Jahreseinkommen von höchstens 30.000 Euro vorgesehen, das nach Abzug der Ausgaben und geleisteten Rentenbeiträge mit 5 % versteuert wird. Wer im Regime die Minimi arbeitet, ist außerdem von der Einforderung der Mehrwertsteuer befreit.
Das Gesundheitssystem Italiens sieht vor, dass grundsätzlich jeder Einwohner medizinisch versorgt wird. Seit 1978 gibt es eine einheitliche Krankenkasse (Servizio Sanitario Nazionale), die regional strukturiert ist (Aziende Sanitarie Locali – ASL) und aus eigenen Einnahmen, teilweise von den Regionen sowie durch IRAP (Gewerbesteuer) und IRPEF (Einkommensteuer für natürliche Personen) finanziert wird. Jede Gemeinde hat eine Liste an „Hausärzten“ (Medico di Famiglia), von denen man sich einen aussuchen kann, bei dem man sich dann auch behandeln lässt. Der Besuch beim Hausarzt ist kostenlos. Für fachärztliche und medizinische Untersuchungen – sofern diese nicht privat erfolgen – ist eine Überweisung durch den Hausarzt notwendig, wobei auch ein je nach Art der in Anspruch genommenen Leistung variabler Selbstkostenbeitrag (ticket sanitario) anfällt, was oft sehr teuer kommen kann. Für Krankenhausaufenthalte wird ebenfalls dieses Ticket eingefordert. Die Wartezeiten für vom öffentlichen System angebotene, fachärztliche Untersuchungen sind teilweise so lange, dass eine private Abwicklung vorzuziehen ist.
Eine Versicherung bei der Arbeitsunfallversicherung (INAIL) ist für freiberuflich tätige Übersetzer und Dolmetscher nicht möglich.

Das liebe Geld
Italien ist ja berühmt für eher niedrige Tarife, wobei es aber durchaus möglich ist, den Billigagenturen und Preisdrückern aus dem Wege zu gehen und eine zwar nicht mit Deutschland vergleichbare, aber dennoch ordentliche Bezahlung zu verlangen und auch zu bekommen. Die Abrechnung von Übersetzungen erfolgt vorwiegend nach „Normseiten“ (cartella) mit 1500 Anschlägen inklusive Leerzeichen mit Berechnung auf der Grundlage des Zieltextes. Mit der Einführung der CAT-Tools arbeiten viele Agenturen auch mit Pro-Wort-Abrechnung bezogen auf den Ausgangstext. Zu den Tarifen ist ein Einblick in die Webseite des Kollegen Simon Turner (www.tariffometro.it), der sich seit Jahren mit der Tarifstrukturierung in Italien (und nicht nur) befasst, lehrreich. Auch wenn die Webseite nicht ganz auf dem neuesten Stand ist, kann man sich doch einen Überblick über die Situation in Italien schaffen. Für Übersetzer, die vom Italienischen in die Fremdsprache (ihre Muttersprache) übersetzen, ist die Tarifverhandlung mit italienischen Agenturen, die oft nur den Preis als Maßstab setzen, aber auch mit Direktkunden, erfahrungsgemäß wesentlich einfacher als für Übersetzer beispielsweise der Sprachkombinationen EN>IT oder DE>IT.
Ein leidliches Thema sind die Zahlungsfristen: Während Direktkunden in der Regel die Rechnungen anstandslos innerhalb von 30 Tagen begleichen, beharren viele Agenturen auf einem Zahlungsziel von 60 oder sogar 90 Tagen bei Rechnungslegung zum Monatsultimo. Gezahlt wird immer zwischen dem 10. und 15. des Monats, wonach sich diese Fristen auf 60 + 10/15 bzw. 90 + 10/15 erhöhen. Gezahlt wird in der Regel per Banküberweisung, zudem in Italien Beträge über 1000 Euro in jedem Fall mit nachvollziehbaren Mitteln zu bezahlen sind.

Arbeiten für Gerichte
„Beeidigte Übersetzer“ gibt es in Italien in diesem Sinne nicht. Wird eine beeidigte Übersetzung benötigt, hat man sich dafür ans örtliche Gericht zu wenden. Dort beeidigt der Übersetzer in Anwesenheit des zuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, dass er die Übersetzung gut und treu und nur zu dem Zweck, die Wahrheit zu übermitteln, ausgeführt hat. Dafür hebt der Staat Stempelgebühren in Höhe von 14,62 Euro je 100 Zeilen Übersetzung ein. Die Tarife dafür werden wie üblich mit dem jeweiligen Kunden verhandelt.
Man kann sich aber auch in das Verzeichnis der Sachverständigen (Albo dei Consulenti Tecnici d’Ufficio) eintragen, um in die Liste der vom Gericht für Übersetzungs- und Dolmetscherdienste beauftragten Dienstleister aufgenommen zu werden. Oft werden aber Sprachkombinationen benötigt, für die keine Sachverständigen in der Liste aufscheinen, wonach das Gericht wie jeder andere Direktkunde nach einem mehr oder weniger entsprechenden Dienstleister sucht. Die Bezahlung dieser vom Gericht bzw. von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen Übersetzungen und Dolmetscherdienstleistungen erfolgt nach einem ziemlich merkwürdigen Prinzip, und zwar nach Vacazioni. Es handelt sich dabei um 2-Stunden-Einheiten, wobei die erste Einheit mit 14,68 Euro, alle weiteren Einheiten mit je 8,15 Euro abgegolten werden – ich spreche von Bruttobeträgen zzgl. MwSt. und nein, das ist kein Scherz. Es wird also nicht nach Textlänge abgerechnet, sondern nach zeitlichem Arbeitsaufwand, wobei der Übersetzer für dringende Übersetzungen oft nur 1-2 Tage zur Verfügung gestellt bekommt und der anerkannte Betrag, auch wenn zwecks Komplexität und kurzfristiger Abwicklung ein Zuschlag von 50 % verlangt werden kann, weit unter jeder Würde liegt. Die Zahlungsfristen liegen für die Staatsanwaltschaft bei 12-18 Monaten. Näheres dazu schreibt die Kollegin Maria Antonietta Ferro sowohl auf ihrer Webseite als auch in einer Umfrage, die sie 2012 zu diesem Thema veranstaltet und veröffentlicht hat.

Verbände
AITI und ANITI sind die größten Übersetzerverbände Italiens. Sie organisieren – wie die Übersetzerverbände anderer Länder – Fortbildungsseminare, an denen oft nur die Teilnahme von Verbandsmitgliedern vorgesehen ist und vertreten die Interessen ihrer Mitglieder.
Die wichtigsten, italienischsprachigen Mailinglisten sind einerseits Langit für Fachübersetzer, andererseits Biblit für Literaturübersetzer. The Checklist hingegen dient dazu, Informationen über die Zahlungsmoral verschiedener Kunden einzuholen.

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